Subversives Design ist kritisches Design. Es bietet keine direkten Lösungen an. Stattdessen stellt es den Status quo des klassischen Systems in Frage.
Seit dem 11. Februar verwandelt die Gruppenausstellung Subversives Design das NRW-Forum DĂĽsseldorf in ein "Kaufhaus der Kritik" mit 20 teils humorvollen Produkten:
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Der Ausstellungsraum wurde in ein Lagerhaus verwandelt, in dem funktionale Regalsysteme die Exponate beherbergen und ein Roboter durch die Gänge fährt und diese transportiert.
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Anstelle von künstlerischen Unikaten zeigt die Gruppenausstellung Produkte von zeitgenössischen Designer*innen, die den zeitgemäßen Ansatz des kritischen Designs teilen.
Sie bringen alternative Modelle auf den Markt und setzen sich mit einigen der drängenden Fragen unserer Zeit auseinander: Klimawandel, Digitalisierung und Diskriminierung.
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Mit dabei sind Zara Alexandrova & Zoran Georgiev, Ludwig Berger, BLESS, Liora Epstein, Jojo Gronostay (Dead White Men´s Clothes), Demna Gvasalia für Balenciaga, Vanessa Harden, Katerina Kamprani, Henri Alexander Levy (Enfants Riches Déprimés), MSCHF, Next Nature Network, PUTPUT (Stephan & Ulrik Martin Larsen), Max Siedentopf, Vaia Tatopoulou, The Internet Shop, Patricia Thoma, Anna van Eck und Sebastian Wanke.
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Subversion bedeutet gezielte Unterwanderung und beschreibt Prozesse, die bestehende Ordnungen und Systeme in Frage stellen, sich ihre Mechanismen aneignen und sie sichtbar machen, um sie zu verändern.
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Sie kann die Form von zivilem Ungehorsam oder Sabotage annehmen und in subkulturellen Kontexten auch auf Ungleichheiten und Diskriminierung aufmerksam machen.
Eng verwandt mit der Subversion ist das Konzept des kritischen Designs, das, statt einen konsumorientierten Markt zu bedienen, das klassische Designsystem in Frage stellt und versucht, Gegenentwürfe und neue Handlungsmöglichkeiten für die Zukunft anzubieten.
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Anstelle von EinzelstĂĽcken betont die Gruppenausstellung die serielle Produktion. Subversives Design stellt sich nicht ĂĽber den Mainstream, sondern bewegt sich in ihm.
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Die Designer*innen remixen, sampeln, intervenieren, hacken, stellen Funktionalität auf den Kopf und hinterfragen dabei Konsumgewohnheiten und Ansichten zu den Themen Ernährung, Mode, Nachhaltigkeit und Klima.
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Zu sehen sind Kleidungsstücke des Modelabels Dead White Men's Clothes, das 2017 von dem Designer Jojo Gronostay gegründet wurde. Der Name ist eine Übersetzung des ghanaischen Konzepts "Obroni Wawu", das in den 1970er Jahren durch die Ankunft der ersten Welle von Secondhand-Kleidung aus dem Westen populär wurde.
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Der Begriff beschreibt die Überzeugung, dass solche hochwertigen Kleidungsstücke nicht aus freien Stücken gespendet wurden, so dass die früheren Besitzer tot sein müssen. Nach Ansicht des Designers ist das Projekt eine Provokation, die zum Nachdenken über Kapitalismus, Postkolonialismus, Identität und Mode anregen soll.
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Next Nature Network gründete 2011 das fiktive Unternehmen Rayfish Footwear. Das von dem Künstler und Philosophen Koert van Mensvoort entwickelte Online-Storytelling-Projekt bot Sneaker aus gentechnisch verändertem Rochenleder an, die nach individuellen Kundenwünschen hergestellt wurden.
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Die vermeintliche Markteinführung des Unternehmens löste eine Debatte über neue Biotechnologien, ihre Produkte und unsere konsumgetriebene Haltung gegenüber Tieren aus.
Im Gegensatz dazu werden die Blood Sneaker (2018-2019), die Teil des Meat Factory-Projekts sind, aus handgefertigtem "Bio-Leder" hergestellt, das mit Fett und Knochen aus Schlachtabfällen entwickelt wurde.
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Henri Alexander Levy gründete 2013 das Modekollektiv Enfants Riches Déprimés (übersetzt: reiche, depressive Kinder), das auf seine exklusiven Luxusqualitäten ebenso viel Wert legt wie auf seine künstlerischen und punkigen Einflüsse.
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Neben der handgestrickten Cashmere Noose (2015) gibt es den mit Columbine bestickten Merinowollpullover (2018) oder die Jacke "Putin by George Bush" (2016) mit einem Porträt von Putin auf dem Rücken - Provokationen für diejenigen, die es sich leisten können.
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Ein extremes Aufeinandertreffen von Luxusmode und Low Culture ist der Balenciaga Carry Shopper (2017), die "Ikea-Tasche" des berĂĽchtigten Designers Demna Gvasalia fĂĽr Balenciaga
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und sein Crocs Remix, die Balenciaga Platform Sandals,
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die ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sind, sowie Produkte aus der Serie The Subversive Gardener (2015) von Vanessa Harden; dekorative Werkzeuge für Guerilla Gardening, oder die sakralisierten und übertriebenen Alltagsgegenstände des Kollektivs PutPut, die die Fetischisierung von Konsumgütern vor unseren Augen demonstrieren.
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Ein Kissen mit Buchschlitz, Haarbürsten, denen Haare statt Borsten wachsen, Elektrokabel, die mit Holzperlen oder Rüschen verziert sind: Das Label BLESS spielt mit Materialien und verbessert ständig alltägliche Lösungen.
Das 1997 von Ines Kaag und Desiree Heiss gegründete Mode- und Möbellabel hat sich zum Ziel gesetzt, "die nahe Zukunft lebenswert zu gestalten".
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Ein Weinglas mit der Öffnung an der falschen Stelle, eine Gabel, deren Stiel aus einer Kette besteht, oder ein Besen mit einer vertikalen Bürste: In der Serie The Uncomfortable (2017) dekonstruiert Katerina Kamprani die unsichtbare Sprache des Designs in unserer häuslichen Realität und hinterfragt dabei die grundlegenden Eigenschaften einfacher Alltagsgegenstände und unsere Erwartungen an Funktionalität.
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Liora Epstein interessiert sich für die Transformation von Körpererfahrungen. Mit den Krabbelanzügen (2019) lädt sie dazu ein, die Vorteile von Einschränkungen für ansonsten selbstoptimierte Menschen zu erfahren. Der Anzug ist ergonomisch für das Krabbeln optimiert, lässt aber kaum Möglichkeiten für andere Aktivitäten.
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Anna van Eck beginnt mit dem Regalsystem, das im Mittelpunkt des Ausstellungsdesigns steht. Sie beschreibt ihre Arbeiten als "destabilisierte Alltagsgegenstände".
Das Bücherregal, normalerweise ein stabiler Aufbewahrungsort, verfügt über Regalböden, die schief oder an der falschen Stelle angebracht sind.
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Die fehlende oder verlorene Funktion reizt die Benutzer aus ihrer Komfortzone, zwingt sie zum Handeln und macht das Möbel zu einer interaktiven, sozialen Skulptur. Weitere Eingriffe in die Ausstellungsarchitektur und das räumliche Umfeld kommen von Max Siedentopf, der einen fiktiven Pausenraum (Pausenraum, 2021) für Arbeiter errichtet.
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Kuratiert wird die Ausstellung von Alain Bieber, kĂĽnstlerischer Leiter des NRW-Forums DĂĽsseldorf, und Judith Winterhager, kuratorische Mitarbeiterin des NRW-Forums DĂĽsseldorf. Einige der Werke wurden ĂĽber nextmuseum.io, die Plattform fĂĽr Co-Kuration und Co-Creation, gefunden. Das Ausstellungsdesign stammt von Please Don't Touch.
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Die Ausstellung Subversives Design ist noch bis zum 22. Mai im NRW-Forum DĂĽsseldorf zu sehen (Ehrenhof 2, 40479 DĂĽsseldorf).
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Fotos via NRW Forum DĂĽsseldorf, Katja Illner